Fips und das Tauschgeschäft
Von Axel Baumgart
(mit 3 Fips und Fienchen Zeichnungen von Ute Petkelis)
Fips war eine kleine
Maus und lebte glücklich uns sehr zufrieden in seiner kleinen Wohnung, die sich
in der Wohnung von Herrn Müller befand. Hinter dem Lieblings-Fernsehsessel von
Herrn Müller hatte Fips eine kleine Lücke unter der Sockelleiste entdeckt. Er
konnte sich leicht dort durchschlängeln und zu einem großen Spalt in der Mauer
kriechen, in dem Fips sich seine Wohnung eingerichtet hatte.
Er
hatte dort alles, was sich eine kleine Maus für ihre Wohnung nur wünschen
konnte: Es gab eine kleine Mauseküche mit Kühlschrank und Herd, ein
Schlafzimmer mit einem kleinen Mäusebett, ein kleines Badezimmer und ein
Wohnzimmer, in dem Fips sich mit seinen Freunden treffen konnte. Fips fand es
im Grunde genommen ganz toll sich oft mit Freunden zu treffen, und ganz
besonders mochte er es, wenn sich alle in seiner Wohnung trafen.
Wenn da nur nicht
das eine Problem gewesen wäre. Das Problem, was ihm jedes Mal den Spaß verdarb,
wenn Freunde zu Besuch kamen. Fips mochte nämlich keinen Käse. Jetzt fragt ihr
euch bestimmt, was das mit dem Besuch zu tun hat. Aber das ist doch gar nicht
so schwer: Unter Mäusen ist es üblich, demjenigen, den man besucht, etwas
mitzubringen. Um am liebsten bringen Mäuse Käse mit, da alle Mäuse Käse lieben.
Alle Mäuse? Ja,
alle, oder fast alle. Fips war nämlich die einzige Maus auf der ganzen Welt,
die keinen Käse mochte. Fips liebte Mäusespeck, aber mit Käse konnte man ihm
keine Freude machen. Das wussten die Freunde von Fips aber nicht, weil er es
ihnen noch nie gesagt hatte. Und so kam es eben, dass immer, wenn Fips Freunde
zu Besuch hatte, ein Riesenberg Käse zurückblieb. Fips mochte schon den Geruch
von Käse nicht und so musste er sich jedes Mal neu überlegen, was er mit dem
vielen Käse machen sollte.
Gestern erst war das
Haus voller Freunde gewesen und heute hatte Fips wieder sein Käseproblem. Er
hatte ja schon viel gemacht, um den Käse wieder los zu werden: Er hatte ihn
vergraben, an Luftballons gebunden und in den Himmel fliegen lassen, er hatte
einen Sessel daraus geschnitzt, den er dann verkaufte, aber heute, heute fehlte
ihm wirklich jede Idee. Nur eines wusste er genau: Er wollte nicht alleine zu
Hause bleiben. Fips wollte Freunde treffen. Und dann kam ihm die ideale Idee.
Er würde so viele Freunde besuchen wie nur irgend möglich und jedem ein
besonders großes Stück Käse mitbringen. Denn Käse hatte er ja jetzt genug. Fips
hatte den Gedanken noch gar nicht ganz zu Ende gedacht, da merkte er, dass er
schon begonnen hatte, den ganzen Käse in seinen Rucksack zu packen. Uijuijui,
der war ganz schön schwer geworden, aber so konnte Fips den ganzen Käse an nur
einem einzigen Tag wieder loswerden. Zum Glück wohnten die meisten Freunde gar
nicht so weit weg.
Also machte sich
Fips mit seinem schweren Rucksack auf den Weg. Seine Idee, den Käse, den er
nicht mochte, zu verschenken, funktionierte
besser, als er gedachte hatte. Alle seine Freunde freuten sich, als er an die
Tür klopfte, und noch glücklicher waren sie, als er jedem ein riesiges Stück
Käse übergab.
Auf diese Weise
dauerte es nur einen halben Tag, und der Rucksack von Fips war schon wieder
ganz leicht geworden, weil er fast den ganzen Käse unter seinen Freunden
verteilt hatte. Es war nur noch ein besonders großes Stück übrig geblieben.
Alle anderen Mäuse sagten immer, dass diese Käsesorte etwas ganz besonderes
war. Alle mochten ihn, aber man konnte ihn nur selten im Käsegeschäft kaufen.
Fips wusste schon ganz genau, was er mit diesem kleinen Käseschatz anfangen
würde. Im gleichen Haus, wo auch Fips wohnte, war vor ein paar Wochen genau
über ihm ein nettes Mäusemädchen eingezogen. Sie hatten sich schon ein paar Mal
im Treppenhaus getroffen, und immer war es nett gewesen. Das Mäusemädchen hatte
den Namen Fienchen. Fips war schon auf dem Weg zu ihm.
Je näher Fips der
Tür kam, umso mehr dachte er, dass es vielleicht doch keine so gute Idee war,
einfach ohne eine Verabredung an der Tür zu klingeln. Vielleicht waren ja schon
andere Freunde da, und er störte nur. Oder Fienchen wollte alleine sein. Oder
sie wollte Fips überhaupt nicht sehen, oder …. Aber da war es schon zu spät. Er
war vor der Tür angekommen und noch bevor er sich entschieden hatte, ob er
klingeln oder wieder gehen wollte, machte Fienchen die Tür auf.
„Hallo Fips, dass
ist aber nett, dass du vorbei kommst. Mir war gerade schrecklich langweilig und
ich habe gedacht, es wäre schön, wenn jetzt jemand zu Besuch kommen würde. Und
schwups, stehst du vor der Tür.“
Fips war so
überrascht, dass er gar nicht wusste, was er sagen sollte:
„Also, ich, äh, ich
war gerade zufällig hier in der Gegend…“
„Klar, du wohnst ja
im gleichen Haus!“
„… und da habe ich
gedacht, mach doch einfach einmal einen spontanen Besuch. Ich habe dir auch
etwas mitgebracht.“
„Das ist ja lieb von
dir. Willst du nicht auf ein Glas Orangensaft hereinkommen?“
Natürlich wollte
Fips. Darum war er ja hier! In Fienchens Wohnzimmer war es richtig gemütlich.
Als sie endlich zusammen saßen und Orangensaft tranken, nahm Fips seinen
Rucksack zur Hand und suchte das große Stück Käse heraus. Fienchen war richtig
begeistert, denn das war ihr Lieblingskäse und sie hatte ihn schon lange nicht
mehr gegessen. Es war so schwer, genau diese Sorte im Geschäft zu bekommen.
Sofort stand sie auf, lief in die Küche und kam mit einem großen Holzbrett,
zwei Tellern und einem Messer zurück. Fips ahnte Schlimmes als er fragte:
„Was machst du da?“
„Ich hatte Hunger,
und da habe ich mir gedacht, wir beide verputzen jetzt dieses schöne Stück
Käse. Das passt doch prima zum Orangensaft.“
Jetzt musste Fips
ganz schnell etwas einfallen, wenn er nicht doch noch von dem Käse essen
wollte. Schnell sagte er:
„Ähem, du, also, ich
habe eigentlich gar keinen Hunger. Aber wenn du magst, dann iss gerne soviel davon
wie du magst.“
„Es schmeckt mir
aber doch viel besser, wenn ich nicht alleine essen muss. Nur ein ganz kleines
Stück.“
Jetzt wurde es aber
eng für Fips:
„Ich weis nicht, ob
das so gut ist. Ich habe auch ein wenig Bauchschmerzen.“
Und die hatte er
tatsächlich, wenn er daran dachte, dass er Käse essen musste. Fips konnte
Fienchen die Enttäuschung im Gesicht ablesen. So hatte er sich den Besuch nicht
vorgestellt. Ein paar Sekunden lang schaute er in Fienchens trauriges Gesicht
bis er schließlich sagte:
„Naja, also,
eigentlich ist es so, dass ich gar keinen Käse mag. Und gestern hatte ich ganz
viel Besuch, und jeder hat mir Käse mitgebracht. Ich wusste nicht, was ich mit
dem ganzen Käse machen sollte, also habe ich heute ein paar Freunde besucht,
und jedem Käse mitgebracht. Und das schönste Stück von allen habe ich für dich
aufgehoben.“
Fienchen wurde an den
Ohrenspitzen etwas rot. Sie sagte:
„Da bin ich aber
froh. Ich hatte schon Angst, du würdest mir irgendeinen Streich spielen, weil
du nichts von dem leckeren Käse essen wolltest. Ich kann das übrigens sehr gut
verstehen, dass man bestimmt Sachen nicht mag. Bei mir ist es so, dass ich
Mäusespeck überhaupt nicht mag. Eine Tante von mir schickt mir jeden Monat eine
große Tüte mit Mäusespeck mit der Post. Das ist fast so, wie bei dir mit dem
Käse.“
Fips’ Gesicht begann
zu strahlen: „Das ist nicht nur fast wie bei mir, das ist sogar richtig toll.
Wusstest du, dass ich Mäusespeck ganz super gerne mag?“
Fienchen fing an zu
lachen: „Na, das ist ja mal ein Zufall: Du bekommst Käse geschenkt, den du
nicht magst, aber keinen Mäusespeck, und bei mir ist es genau umgekehrt -
Moment, warum tauschen wir nicht einfach?“
Fips guckte einen
kleinen Moment ganz verdutzt, aber dann sagte er: „Das ist
die Lösung: Ich gebe dir den Käse, den ich geschenkt bekomme, und du gibst mir
deinen Mäusespeck. Damit sind alle unsere Probleme gelöst und jeder ist
zufrieden.“
So kam es, dass Fips
und Fienchen anfingen, regelmäßig Käse gegen Mäusespeck zu tauschen. Aber bald
wurde noch viel mehr getauscht und viele gemeinsame Abenteuer erlebt. Doch das
sind andere Geschichten.
AB, Frankfurt a.M. 25.10.04