Fips und die Kobolde
Von Axel Baumgart
Wie alle Mäuse glaubten
auch Fips und Fienchen an Kobolde. Aber wie alle anderen Mäuse, hatten auch sie
Angst, über Kobolde zu sprechen. Noch nie hatte eine Maus einen Kobold gesehen,
aber es wurde nicht daran gezweifelt, dass es sie gab. Es gab viele Geschichten
über Kobolde. Sie wurde aber nur sehr vorsichtig und leise erzählt, denn man
konnte sich nie sicher sein, dass einer der Kobolde heimlich zuhörte und, wenn
er verärgert war, einen Streich spielte.
Es gab die verschiedensten
Geschichten, wie zum Beispiel die von den Koboldstreichen. So kam es öfter vor,
dass Kobolde nachts die Hausschuhe vertauschten, so dass die Mäuse, wenn sie
morgens aufstanden, die Schuhe verkehrt herum anhatten. Oder etwas anders, was
Fips immer passierte, wenn er mit Fienchen einen Ausflug machen wollte: Jedes
Mal achtete er sehr genau darauf, dass alles, was sie brauchten, in seinem
kleinen Rucksack verstaut war und er nichts vergessen hatte. Trotzdem fehlte
meistens etwas. Fienchen musste schon glauben, er sei vergesslich. Fips war
sich aber sicher, dass es die Kobolde waren, die in einem unbeobachteten Moment
etwas aus seinem Rucksack nahmen, nur um ihn zu ärgern. Er hatte Fienchen
allerdings noch nie von seinen Verdacht erzählt. Er hatte Angst, dass dann die
Koboldstreiche nur noch schlimmer wurden.
Es gab aber auch
Geschichten, dass die Kobolde den Mäusen manchmal etwas Gutes taten und ihnen
halfen. Hin und wieder fand Fips – oft nachdem die Enkel von Herrn Müller, in
dessen Wohnung Fips ja bekanntermaßen lebte, zu Besuch gewesen waren – in der
Küche einen halbvollen Beutel mit Mausespeck, der Lieblingsspeise von Fips. Er
hatte noch nie gesehen, dass Herr Müller Mausespeck aß. Also konnten es nur die
Kobolde gewesen sein, die den Mausespeck dort hingelegt hatten. Fienchen war
sich da nicht sicher, hatte aber auch keine andere Erklärung.
Noch nie hatte eine Maus
einen Kobold gesehen, aber es war allen Mäusen klar, wie Kobolde aussahen: Es
waren kleine Männlein mit großen grünen Zipfelmützen und einen roten Spitzbart.
Obwohl sie verschiedene Sachen zum Anziehen hatten, trugen sie meistens ein
blau gepunktetes Hemd und eine rot gestreifte Latzhose. Die meisten Mäuse
glaubten, dass die Kobolde in den Löchern vom Käse lebten. Einige Mäuse waren
da aber auch anderer Meinung, weil noch nie ein Kobold im Käse gesehen worden
war.
Fips war schon häufig das
Opfer von Koboldstreichen geworden, obwohl er so gut wie nie Käse im Haus
hatte, in dessen Löchern sie hätten wohnen können. Zum Glück war er seit
einiger Zeit von ihnen verschont geblieben und er hoffte, dass dies auch noch
lange so bleiben würde. Alle diese Kobold Geschichten, die eigenen und die
Geschichten von anderen Mäusen, gingen ihm durch den Kopf, während er seine
Große Wäsche machte, denn heute war der Große Wäsche Waschtag von Fips.
Nacheinander packte er seine Hose, sein T-Shirt, sein Hemd, sein Taschentuch,
seinen Schlafanzug und noch zwei oder drei weitere Sachen in die Waschmaschine
und wählte die Einstellung: „Meine bunten Lieblingssachen – ganz sauber“. Die
Maschine lief genau die Zeit, die er brauchte, um 6 Stück Mausespeck und einen
Becher Milch zu genießen. Als die Waschmaschine fertig war, nahm er seine
Sachen heraus und hängte sie zum Trocknen auf die Leine.
Jetzt nur noch ein
Waschgang, und er war fertig. Zuletzt wusch er immer
seine Sockenmaschine. Das war immer sehr einfach gewesen, denn bis vor ein paar
Tagen hatte er nur 2 Paar Socken gehabt: ein grünes mit Löchern (das hatte er
jetzt an) und ein weißes mit Löchern (das musste jetzt gewaschen werden). Dann
hatte ihm Fienchen aber viele tolle bunte Socken geschenkt, die er jetzt alle
zum ersten Mal waschen wollte. So packte er nun 10 Paar Socken in die
Waschtrommel: Rote, blaue, grüne, gelbe, pinkfarbene, gestreifte, gepunktete
und sein altes weißes Paar mit Löchern. Er wählte an der Waschmaschine diesmal
die Einstellung: „Meine Lieblingssocken – farbecht und fußweich“ und ging in
sein kleines Wohnzimmer um Musik zu hören. Die ersten beiden Lieder waren zu
Ende. Fips wusste, wenn er jetzt langsam
bis 10 zählte, einmal um den Sessel ging und schnell noch seinen Milchbecher spülte,
war auch seine Sockenmaschine fertig.
Er nahm seine Socken aus
der Maschine heraus und hängte sie zum Trocknen auf die Leine. Da war das
Entsetzen groß. Fienchen hatte ihm so schöne Socken geschenkt, und jetzt war
alles anders. Anstatt eines roten, blauen, grünen, gelben, pinkfarbenen,
gestreiften oder gepunkteten Paares hatte er nun 2 Paar mit je einem
gestreiften und einem gepunkteten Socken, ein Paar mit einem roten und einem blauen Socken, ein
anderes Paar mit einem roten und einem gelben, ein weiteres Paar mit einem
gelben und einem grünen Socken und so weiter. Nur sein altes weißes Paar mit
den Löchern, das war noch da.
Fassungslos stand er vor
der Wäscheleine. Die Kobolde hatten wieder zugeschlagen. Wie sollte er das nur
Fienchen erklären?
AB, Altglashütten
10.06.2005