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Der Schimpfwortwettbewerb

Von Axel Baumgart

 

Darauf hatte sich Legau schon seit Wochen gefreut: Endlich gab es eine Gelegenheit, von den Erwachsenen Sachen zu lernen, die man niemals in der Schule von den Lehrern und auch sonst nie von einem Erwachsenen lernen würde. Einmal im Jahr gab es nämlich einen großen Wettstreit zwischen Bregenbrett und Drögenbröt. Er fand in einem Jahr auf dem Dorfplatz von Bregenbrett und im anderen Jahr in Drögenbröt statt. Bei diesem Wettkampf standen sich alle Erwachsenen gegenüber und riefen sich Schimpfworte zu. Das ging solange, bis ein Dorf kein Schimpfwort mehr wusste. Gewonnen hatte der, der das längste Schimpfwort gesagt hatte. Der Verlierer musste dem Gewinner Bratwurst mit Kartoffelpüree, Apfelsaft und Eis ausgeben. Und der Gewinner durfte sich ein ganzes Jahr lang Schimpfwortmeister nennen. Schiedsrichter war, wie jedes Jahr, Bernd Brötelbuck, denn er gehörte ja zu einer Hälfte zu Bregenbrett und mit der anderen Hälfte zu Drögenbröt. Einen besseren Schiedsrichter konnte es wohl nicht geben.

Der Schimpfwortmeister aus dem letzten Jahr war Drögenbröt. Darum wollten sich alle Bregenbretter dieses Jahr auch ganz besonders anstrengen, um zu gewinnen.

Endlich war der große Tag da und alles war vorbereitet: Der Dorfplatz von Bregenbrett war gefegt, die Kirchturmuhr der kleinen Kirche gestellt, der Bürgermeister hatte alle seine Orden poliert und alle Einwohner hatten ihre schönsten Kleider, Hüte und Schuhe angezogen. Die Bewohner der beiden Dörfer standen sich auf dem Dorfplatz gegenüber. Der Schimpfwortmeister aus dem letzten Jahr durfte anfangen. Um ganz genau 12 Uhr, 13 Minuten und 14 Sekunden mittags (so war es Tradition) sagte Bernd Brötelbuck: "Achtung - Schimpft - Los!" Sofort kam von der Drögenbröter Seite:

"Du Wackel-Dackel-Zappel-Pappel!"

Alle Drögenbröter riefen: "Hey, hey, hey, hey, ...", worauf Bregenbrett sofort antwortete mit "Buuuuhhhh, buuuuhhhh, ...".

Jetzt war Bregenbrett an der Reihe. Gar nicht so einfach. Da sagte Nicolaus Neunmalklug, der Lehrer: "Misch-Masch-mixender-Mops-melkender-Maulheld!". Diesmal riefen die Bregenbretter begeistert: "Hey, hey, hey, hey, ..." und Drögenbröt buhte: "Buuuuhhhh, buuuuhhhh, ...". So ging das mit den Schimpfworten hin und her:

Drögenbröt: "Blau-Bier-blubbernder-bärgesichtiger-barfuß-Balletttänzer!"

Bregenbrett: "Zitronen-zischender-Zwetschgen-zwirbelnder-Ziehharmonika-ziehender-Zupfdudel!"

Drögenbröt: "Gurgel-Grund-Sprudel-Huber-super-Nudel-Puper!"

Bregenbrett: "Kuchen-kauende-Kamel-Kröte!"

Die Stimmung wurde immer besser. Dieses Jahr waren wirklich spitzen Schimpfworte dabei. Die beiden Dörfer hatten sich richtig gut vorbereitet. Aber es war nicht einfach, sich immer neue Schimpfworte auszudenken. Mittlerweile war es schon Nachmittag, und Legau bekam langsam Hunger. Aber das war hier ja so interessant, dass er nicht weggehen wollte. Und so ging es weiter:

Drögenbröt: "Glibbriger-Glubber-Blubber-Hudel-Dudel-Schuddel-Kuddel!"

Bregenbrett: "Käfer-krabbelnde-Kratzbürst-Zahnputz- ... - Kröte!"

Jetzt waren die Schimpfworte nicht mehr so gut, und es dauerte auch länger, bis neue kamen. Daran konnte man erkennen, dass der Wettstreit bald zu Ende sein würde. Und tatsächlich, da rief Bernd Brötelbuck: "Hier kommt das Urteil:...", und es wurde ganz still auf dem Dorfplatz, "... Das Urteil lautet: ..., ..., unentschieden!" Das hatte es noch nie gegeben. Und das ging ja auch gar nicht. Einer musste schließlich zum Essen einladen und einer musste Schimpfwortmeister sein. Alle waren ratlos.

Da gingen die beiden Bürgermeister - man konnte sie leicht an ihren langen weißen Bärten und ihren vielen polierten Orden erkennen - langsam aufeinander zu und trafen sich in der Mitte des Dorfplatzes. Alle Augen waren auf sie gerichtet und es war ganz ruhig. Eine lange Weile berieten sie still und die Spannung stieg immer weiter an. Nach einer schier unendlich langen Zeit riefen sie den Schiedsrichter zu sich, um ihm ihre Entscheidung mitzuteilen. Bernd Brötelbuck hörte geduldig zu und nickte dann. Er verkündete mit lauter Stimme: "Geschätzte Schimpfwortwettkämpfer. Im Augenblick herrscht unentschieden. Aber es soll heute noch einen neuen Schimpfwortmeister geben. Alle Erwachsenen sind aber erschöpft und haben keine neuen Schimpfwort-Ideen mehr.

Deshalb wird ein Kind aus jedem Dorf den Wettkampf fortsetzen." Ein "Oh!" und Ah!" ging über den Dorfplatz und Legau war ganz aufgeregt. In Bregenbrett gab es ja nur 4 Kinder. Und wenn man jetzt ausgerechnet ihn ausgewählt hatte? "Für Drögenbröt", fuhr Bernd Brötelbuck fort, "wird der Maulwurf-jagende, Sand-matschende Matthias antreten," von ganz hinten hörte man ein "Juchhu!", "...und für Bregenbrett tritt an der Apfelsaft-schlabbernde, Gummibärchen-in-Katzenfell-klebende Legau!" Alle jubelten, nur Legau sagte: "Uff!"

Matthias aus Drögenbröt fing an:

"Du fuchs-gedackelte-Windhund-Schnepfe!" - Drögenbröt jubelte laut. Nun war Legau dran. Er war so nervös und es wurde immer schlimmer. Er brauchte etwas ganz, ganz Langes, damit Bregenbrett gewinnen konnte. "Legau, du bist dran," sagte der Bürgermeister.

"Du, ..., du, ...," Legau fing vor Aufregung an zu schwitzen, "... du PUPS!"

Stille. Keiner jubelte. Das war ja nun auch ganz bestimmt kein langes Schimpfwort. Aber noch bevor Bernd Brötelbuck den Endstand verkünden konnte, sagte Legau schnell:

"Du langer, stundenlanger Dauerpups, der auch morgen noch stinkt!"

Alle schauten nun Bernd Brötelbuck an. Der überlegte eine ganze Weile, schaut zu Drögenbröt, überlegte weiter, schaute zu Bregenbrett, überlegte nocheinmal und alle warten voller Spannung auf seine Entscheidung. Es war kein Mucks zu hören außer dem Ticken der Kirchturmuhr. Dann sagte er:

"Liebe Schimpfwortwettkämpfer, ein ehrenvoller, harte und fairer Wettkampf liegt hinter Euch. Jeder war es würdig, sein Dorf in diesem Wettkampf zu vertreten. Aber nur einer kann gewinnen, und der Verlierer muss sich im nächsten Jahr etwas mehr anstrengen. Dieses Jahr hatte das längste Schimpfwort, das auch morgen noch stinkt, und ist damit Schimpfwortmeister: Bregenbrett!"

Ein ohrenbetäubender Jubel brach los. Immer wieder konnte man "Le-gau, Le-gau, Le-gau" Sprechchöre hören, oder auch "Wir haben gewonnen!". Legau freute sich und war richtig Stolz. Das er vor lauter Nervosität fast nur "Pups" und nichts anderes gesagt hätte, wollte er nie einem verraten.

Bei der anschließenden Feier durfte er soviel Bratwürstchen, Kartoffelpüree und Eis essen wie er nur konnte. Obwohl die Feier noch in vollem Gange war, freute er sich schon auf den Schimpfwortwettkampf im nächsten Jahr.

 

 

FFM, 25.07.2004 AB

 

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