Tona, die Tanzfee
Von Axel
Baumgart
Legau wusste
nicht, wie man ein Dorf als Bürgermeister führte, und er wusste erst recht
nicht, was zu den Pflichten eines Bürgermeisters gehörte. Er kannte Roland
Regens nur als den Bürgermeister, der zu offiziellen Anlässen seine Orden
polierte und mit den glänzenden Orden Reden hielt. Ohne zu wissen, dass es
eigentlich zu den Aufgaben eines Bürgermeisters gehörte, sich auch darum zu
kümmern, bemerkte er sehr wohl, dass sich einige Sachen in Bregenbrett
verändert hatten:
Ein paar
Spielgeräte auf dem Spielplatz waren kaputt, der Dorfplatz war schon lange
nicht mehr gefegt worden, und die einzige Straßenlaterne in Bregenbrett tat es
seit 2 Wochen nicht mehr. Der Bürgermeister musste die ganzen Sachen natürlich
nicht alle selber machen, aber er musste sich darum kümmern, dass sie gemacht
wurden. Aber er kümmerte sich zur Zeit eben nicht darum. Darum wurden die
ganzen Sachen auch nicht gemacht, und jeden Tag kam etwas dazu, was nicht
gemacht worden war. Heute zum Beispiel war auf dem Dorfplatz der große Kalender
nicht geändert worden. Er zeigte immer noch gestern an. Legau bemerkte es zwar,
aber eigentlich waren es ihm egal. Außer den kaputten Dingen auf dem
Spielplatz.
Was ihn aber
noch viel mehr beschäftigte, war die Frage, was es bedeutete, wenn die
Erwachsenen immer wieder sagten: "Der Bürgermeister sollte 'mal Besuch von
Tona bekommen." Oder: "Wann kommt denn endlich einmal die Tanzfee zu
Roland Regens?" Bei solchen Sachen wusste Legau überhaupt nicht, was
gemeint war. So sehr er auch aufpasste und zuhörte, er konnte es nicht
herausfinden. Seine Eltern hatten ihm gesagt, wenn Erwachsene reden, ist das
nicht immer für Kinder bestimmt. Darum traute sich Legau auch nicht zu fragen,
wer oder was Tona ist, was eine Tanzfee ist und was das mit dem Bürgermeister
zu tun hatte. Als die Neugierde so groß geworden war, dass er fast platzte,
fragte er schließlich doch seine Mutter danach. Und die erzählte daraufhin das
Märchen von Tona, der Tanzfee:
"Es war
einmal ein König, der war sehr traurig und hatte keine richtige Freude mehr.
Alles war ihm zuviel. Er mochte nicht richtig essen, er mochte keine Freunde
treffen, Bücher lesen oder Geschichten hören. Er war immer brummig und schlecht
gelaunt. Und im ganzen Königreich war keiner, der ihm eine Freude machen konnte
oder in der Lage war, seine Traurigkeit zu vertreiben Aber das Schlimmste war,
dass der König auch keine Lust mehr hatte, zu regieren. So kam es, dass im
Schlossgarten der Rasen so hoch wuchs, dass er allen Leuten am Kinn kitzelte,
weil der König seinem Gärtner nicht mehr sagte, dass er den Rasen mähen solle.
Und die wunderschönen Pferde des Königs bekamen nur deshalb ihr Frühstück, weil
die Tochter des Königs von allein daran dachte. Denn auch darum kümmerte sich
der König nun auch nicht mehr. Was war das nur für ein trauriges Königreich.
[…]
Tona hat für die nächste Zeit ein neues Zuhause gefunden in
einem Buch. Wenn Ihr neugierig seid, könnt Ihr es hier bestellen:
[…]
"Ich
bin Tona, die Tanz-Fee. Leider kann ich morgen nicht mehr kommen. Mein Tanz ist
wie Medizin und du bist wieder gesund. Ich will aber noch vielen helfen."
"So sei
es", sagte der König, "ich wünsche dir alles Gute auf deiner
Reise."
Tona
verbeugte sich ganz tief und lief aus dem Saal. Sie machte sich auf den Weg zu
einem Drachen, der kein Feuer mehr spucken wollte. Doch das ist eine andere
Geschichte."
So beendete
Legaus Mutter das Märchen von Tona, der Tanzfee. Endlich verstand Legau, wie
die Leute es meinten, dass die Tanzfee mal den Bürgermeister besuchen sollte.
Dann wäre bald auch in Bregenbrett wieder alles in Ordnung.
So ähnlich
kam es in Bregenbrett auch. Trotzdem war es ganz anders. Es dauerte noch ein
paar Tage, da kam die Frau von Roland Regens, dem Bürgermeister, zurück.
Rosalinde Regens, genannte Röschen, hatte ihre Schwester besucht und war jetzt
wieder da. Sie war kaum zuhause, da konnte man auch schon in ganz Bregenbrett
ihre Stimme hören:
"Wie
sieht das denn hier aus? Roland, du hast ja nicht einmal aufgeräumt. Alles
liegt herum. Und gespült ist auch nicht. Hast du dir überhaupt die Zähne
geputzt? Und Bregenbrett: Die Straßenlaterne ist kaputt und der Kalender stimmt
auch nicht. Ab morgen wird das alles wieder anders hier."
Und
tatsächlich, bald war wieder alles in Ordnung in Bregenbrett, und der
Bürgermeister war wieder ein richtiger Bürgermeister, der sich um alles
kümmerte.
Legau aber
war froh, dass nicht er den Bürgermeister auf all die Sachen aufmerksam machen
musste.
AB, Nürnberg
08.08.2004