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Am 7.2.2006 schrieb mich Claudia Briese an, ob ich nicht eine Karnevalsgeschichte hätte. Hatte ich leider nicht. Sie wollte sie gerne Kindern in einem Museum auf einem Schloss vorlesen, wahrscheinlich auf dem Dachboden. Das Schloss hat sogar seinen eigenen Schlossgeist. Daraus ist folgende Geschichte geworden:

 

Karneval auf dem Schloss

Von Axel Baumgart

 

Der Februar war eine furchtbare Zeit für Legau und Jona. Der Schnee war schon fast geschmolzen, aber es war noch viel zu kalt und oft auch zu regnerisch, um draußen zu spielen. Der Winter dauerte nun schon so lange, dass sie alles, was man im Haus machen konnte, schon mehrfach gespielt hatten, so dass es nun keinen Spaß mehr machte. Nur auf Karneval freuten sie sich immer riesig. Karneval fiel oft in den Februar, und so konnten sie sich wenigstens auf eine Sache in diesem fürchterlichen Monat freuen.

 

„Was für ein Kostüm hast Du Dir dieses Jahr ausgesucht?“ fragte Jona.

Normalerweise verriet Legau seine Kostüme nicht, aber weil Jona sein Freund war, sagte er: „Das steht noch nicht ganz fest. Ist ja noch fast 2 Wochen bis zum Fest. Aber ich werde dieses Jahr wohl als Gespenst gehen.“

„Cool, Gespenst. Wie machst Du das denn?“, wollte Jona sofort wissen.

„Meine Mama nimmt ein altes Betttuch, schneidet mir zwei Augenlöcher rein, und ich nehme eine Kette mit unter das Tuch. Dann geistere ich als weißes Gespenst herum und rassele laut mit meiner Kette.“

„Das klingt echt super. Ich habe noch gar keine Idee. Meine Mutter will, dass ich als Clown gehe. Aber Clown war ich schon die letzten beiden Jahre, und jetzt will ich `mal `was anderes machen.“

Legau überlegte kurz, und weil Jona sein bester Freund war, sagte er: „Dann geh doch auch als Gespenst. Deine Mama hat doch bestimmt auch ein altes Betttuch, und wenn nicht, dann fragen wir eben meine. Wir sind dann die gefürchteten Zwillingsgespenster Spuk und Spuki.“

„Au ja, das machen wir. Echt eine tolle Idee.“

 

Die zwei Wochen bis zum Karnevalsfest zogen sich endlos hin, und sehr oft dachten die Freunde, der Kalender ginge fasch oder alle Uhren seien stehen geblieben. Aber schließlich war es doch soweit. Zusammen mit den anderen Bewohnern von Bregenbrett und Drögenbröt machten sich Legau und Jona mit ihren Familien auf den Weg zum Schloss Groß-Friedrichberg in dem das Fest wie jedes Jahr stattfand. Weit mussten sie nicht laufen denn es lag direkt an dem Weg, der aus Drögenbröt herausführte.

 

Schon als sie den gewundenen Weg zum Schloss hinauf gingen, hörten sie die Karnevalsmusik. Sie fühlten, wie ihre Herzen immer schneller schlugen, und wie sie es kaum noch erwarten konnten, endlich in den geschmückten Festsaal zu kommen. So dunkel und düster das Schloss und die Räume dort das ganze Jahr über wirkten, so lustig und farbenfroh sah der Festsaal zu Karneval aus. Überall hingen Luftschlangen und bunte Ballons. Die Tische waren alle mit einer Tischdecke gedeckt, jede in einer anderen Farbe. Die Teller, Becher und das Besteck waren blau, grün, rot und gelb. Am schönsten jedoch waren die Menschen in ihren Kostümen, wie sie über die Tanzfläche fegten. Außer den beiden Zwillingsgespenstern, die mit ihren weißen Kostümen besonders auffielen, gab es Piraten, die mit Katzen tanzten und Cowboys, die Prinzessinnen etwas zu trinken brachten. Ein Clown wollte sich auf einen Stuhl setzen, den ihm ein Marienkäfer unter dem Po wegzog. Mit einem lauten Plumps fiel der Clown auf den Boden.

 

„Schau’ mal, dieses Jahr hat sich sogar einer als Bürgermeister verkleidet.“

„Aber Jona, das ist der Bürgermeister!“

 

Jedes Jahr machten die Freunde diesen Witz, denn Roland Regens, der Bürgermeister, war als einziger auf dem Fest nie verkleidet. Er zog immer seinen besten Anzug an und alle seine Orden, die er auf Hochglanz poliert hatte. Es war komisch, aber umgeben von so vielen verkleideten Menschen, sah es tatsächlich fast so aus, als hätte er sich als Bürgermeister verkleidet.

 

Eine ganze Weile betrachteten die Freunde  das lebhafte Treiben und spielten so manche Streiche: Sie ließen einen Luftballon platzen, als ein Scheich gerade trinken wollte, so dass er sich vor Schreck ganz voll schlabberte. Oder sie banden den Schwanz eines Hundes an einem Stuhlbein fest. Als der Hund dann aufstand, um zu tanzen, zog er laut scheppernd den Stuhl hinter sich her. Es war lustig, wie jedes Jahr. Trotzdem sagte Legau nach einer Weile:

 

„Was machen wir zwei Gespenster denn jetzt?“

„Was sollen Gespenster denn machen? Wir spuken durch das Schloss!“

„Genau, wir spuken durch das Schloss, und wenn uns jemand sieht, dann erschrecken wir ihn.“

„Und anschließend laufen wir schnell weg, damit uns keiner erkennt!“

„Genauso machen wir es. Los, lass uns gehen.“

„Aber pass auf, dass uns keiner sieht, sonst können wir ja keinen mehr erschrecken.“

 

Unauffällig schlichen sich die Freunde aus dem Saal und gingen eine schlecht beleuchtete Treppe hinauf. Die Karnevalsmusik und das Stimmengewirr wurden allmählich leiser und waren bald gar nicht mehr zu hören. Immer höher stiegen sie, bis sie schließlich an eine Tür kamen, die zum Glück nicht verschlossen war. Vorsichtig öffneten sie diese Tür, die dabei leise, aber deutlich hörbar quietschte. Dahinter lag ein großer, dunkler Raum, der der Dachboden sein musste. Es standen überall Sachen herum, die mit großen Tüchern zugedeckt waren. Den Freunden war jetzt reichlich unheimlich zumute, aber da keiner von den beiden es zuerst zugeben wollte, gingen sie weiter. Vorsichtig tasteten sie sich durch den dunklen Raum und wären ein paar Mal fast über herumliegende Gegenstände gestolpert.

 

„Da steht einer,“ flüsterte Jona.

„Wo?“

„Da in der Ecke.“

 

Und tatsächlich konnte man in einer Ecke eine dunkle Gestalt erahnen. Sie nahmen ihren ganzen Mut zusammen und schlichen auf die Gestalt zu. Dort angekommen stellten sie fest, dass es nur ein Bild war. Trotzdem war ihnen der Dachboden nicht geheuer. Durch die Dachziegeln pfiff der Wind und immer wieder fühlte es sich so an, als würde eine unsichtbare Hand and ihren Kostümen ziehen oder ihnen durch die Haare streifen. Sie wollten nur noch weg.

 

Zur gleichen Zeit, als die Freunde den Dachboden waren, wurden sie von Legaus Mutter im Saal vermisst. Schnell hatte sie erkannt, dass die beiden nicht da waren und ging los, um sie zu suchen. Sie lief durch das Schloss und rief laut:

Leeeegauuu. Haaaloooooo, HuuuuuHuuuuu, Jooooonaaaa,“ konnte die Freunde aber zunächst nicht finden.

 

Auf dem dunklen, staubigen Dachboden hörten die Freunde durch die dicken Mauern des Schlosses plötzlich ein Geräusch. Es klang wie:

Eeeeeeeeeeeeaaauuuuuuuuuuuaaaaaaaaaaaaooooooooooooooooooouuuuhuuuuuuu-ooooooooooooooooaaaaaaaaaaaaa,“ und ihre schreckliche Angst wurde noch größer. Sie fassten sich an der Hand und tasteten sich zurück zur Tür des Dachbodens. Das komische Geräusch wurde immer lauter, und als sie direkt vor der Tür waren, war es so laut, dass sie sich die Ohren zuhielten und zitternd stehen blieben. Sie konnten sich nicht mehr rühren. Langsam ging die quietschende Türe auf. Als sie ganz offen war und sie im Licht des Treppenhauses eine Gestalt sahen, schrieen sie laut auf:

 

Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa.“

 

Und Legaus Mutter, die plötzlich vor sich zwei zitternde und schreiende Gespenster sah, erschrak ebenfalls und schrie:

Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa.“

 

Vor Schreck stolperten alle drei einen Schritt rückwärts und fielen auf den Po. Als sie erkannten, was passiert war, wer die Geräusche gemacht hatte und wer die Gespenster waren, mussten alle laut lachen bis ihnen die Bäuche weh taten und die Tränen über das Gesicht liefen. Ihnen war klar, dass sie von diesem Karnevalsfest noch sehr oft erzählen würden.

 

AB, Frankfurt, den 07.02.2006

 

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