Werner Kistler
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Werner Kistler: Mein
Hund Blacky
Mein Freund heißt
Peter. Er ist vierzehn Jahre alt und somit
genau so alt wie ich.
Wir wohnen in einem
kleinem Dorf, das umgeben von Wäldern, Wiesen und Feldern auf einer Anhöhe
thront. Am Wochenende ist hier kulturell nicht viel los.
Mein Freund und ich
ziehen uns dann die ältesten Sachen an und trotten quer durch die Botanik. Über
Wiesen und den oft nassen Wald wandern wir immer auf der Suche nach Abenteuern
und Neuigkeiten. Wege laufen wir fast nie. Das wäre uns zu langweilig. Der
Vater meines Freund ist Jäger und mein
Kamerad hat schon viele nützlichen Dinge von seinem Vater gelernt. Mein Freund kann schon ganz toll Fährten lesen und
kennt auch schon viele Blumen- und Bäumenamen. Den Jagdhund des Vaters nehmen
wir auch immer mit auf unseren Exkursionen. Auf unserer letzten Unternehmung ist folgendes passiert:
Wir hatten den 6.
Dezember, also Nikolaustag. Der Nachmittag
zeigte sich etwas nebelig. Was ja in dieser Jahreszeit eigentlich nichts
besonderes ist. Aber im Wald erscheinen einem die Büsche und Bäume dann
besonders spannend und wirklichkeitsfremd.
Wir standen auf einer Lichtung und plötzlich blieb unser Hund steif
stehen. Seine Rute zeigte steil in die Höhe. Ein Zeichen, dass das Tier irgend
welche Geräusche vernahm. Wir schauten uns um, konnten aber keine verdächtigen
Bewegungen oder Geräusche vernehmen.
Plötzlich begann ein
Stück Gestrüpp zu laufen. So sah es jedenfalls in unseren Augen aus. Wir
schauten uns verblüfft an. Gleichzeitig lief ein gehöriger Schrecken durch
unsere Glieder. So etwas gab es ja wohl nicht. Trotzdem sprangen wir hinterher.
Das "Stück Wald" blieb plötzlich stehen und wir sahen einen völlig
verwahrlosten Kleinpudel. Wie das Bündel stank. Wie Rasterlocken hing das Fell
an seinem Körper. Überall steckten vertrocknete Pflanzenteile in dem völlig
verfilztem Fell. Wir sahen nicht wo der
Kopf und wo der Schwanz des Tieres sich befanden. Der Jagdhund des Freundes wurde an einer
überlangen und teilbaren Leine geführt. Diese Leine teilten wir und fertigten ein Lasso aus diesem Leder. Nach einigen vergeblichen Versuchen fingen
wir das Filzbündel mit unserem Lasso und führten so die arme Kreatur nach
Hause.
"Nun hast Du auch
einen Hund." Mein Freund sprühte
vor Begeisterung. Aber ich kannte meine Mutter und wusste, auf was für einen
Kampf ich mich einstellen musste. Trotzdem zeigte ich mich zuversichtlich.
Meine Mutter war, was
ich ja schon erwartet hatte, überhaupt nicht begeistert von dem
"Rattentier". So nannte sie den Hund. Irgendwie sah er ja auch so
aus.
Ich durfte den Pudel
aber trotzdem baden. Dazu brauchte ich
drei Waschwannen voll mit Wasser .Jetzt sah der Fifi schon etwas zivilisierter
aus.
Nach der Waschung gab
ich meinem Hund etwas zu fressen. Dabei wunderte ich mich, wo der Vierbeiner
die Mengen aus Reis und
Siedewürstchen lagerte.
Meine Mutter erklärte
sich sogar bereit, am nächsten Morgen den Hund in der Stadt trimmen zu lassen.
Sie fuhr also am nächsten Morgen mit dem Bündel in die Stadt
zum Hundefrisör. Dafür musste ich ihr versprechen, zwei Wochen lang jeden Tag zu spülen und die
Milch beim Bauer noch vor der Schule zu holen. Deal ist Deal.
Als Beide am späten Nachmittag heimkehrten,
erkante ich den Hund nicht wieder. Er
zeigte sich nur noch halb so dick. So viel Wolle, wie von einem Schaf, wurde
abgeschoren. Uns wurde so ein wunderschöner und vitaler Kerl geboren. Aber noch
oft hörte ich an diesem Abend meine Mutter zetern. Immer wieder erwähnte sie,
wie sie sich doch in der Bahn geschämt hatte und ich könnte diese Sache nie
wieder gut machen.
Ein pechschwarzes Fell
bedeckte den Kleinen und deshalb taufte ich
meinen Spielkameraden auf den Namen Blacky. Er ist mein treuester Freund
geworden und ständig hatte er Flausen im Kopf. Wenn er im Vorgarten über die
Berberitzehecke sprang und seine langen Ohren im Wind wie Flügel segelten Einmal
schleppte er ein ganzes Schweinskopfgerippe, das Bauern auf ihrem Mist
entsorgt hatten, an. Später landete der Schweinkopf mit einer Fuhre Mist auf
dem Feld. Hier hatte Blacky wohl seinen Fund entdeckt. Schnell entfernte ich
die alten Knochen. Blacky zeigte
sich an diesem Tage ein wenig verstimmt.
Aber am anderen Tag war
die Angelegenheit schnell wieder vergessen.
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Diese Nacht träumte
ich, alle Menschen könnten fliegen. Ich fand die Idee ganz toll. Wir hätten
keine stinkenden Autos mehr auf den Straßen und keinen Stau und keine Unfälle
mehr. Ohne Gestank und Parkplatzprobleme ließe sich so jedes beliebige Ziel
zügig erreichen. Kostbares Erdöl zur Benzingewinnung brauchte man nicht zu
verschwenden. Das Geld für teure Autos und Treibstoffe könnten wir für andere
schöne Dinge verwenden. Überfüllte Busse und Straßenbahnen, wo wir von
Jedermann angehustet werden, gehörten der Vergangenheit an.
Aber da schossen mir
doch ein paar Gedanken durch den Kopf. Was ist mit den Lastern auf unseren
Straßen? Schließlich bringen die großen Fahrzeuge die Waren für den täglichen
Gebrauch in die Geschäfte. Denn wir müssen uns ja auch kleiden und essen müssen
wir ja auch.
Plötzlich riss mich ein
lautes Motorengeräusch neugierig an unser großes Wohnzimmerfenster. Auf der
Straße stand ein riesiger Lastwagen. Auf seiner Ladefläche standen Häuserwände.
Richtig, unser Nachbar erhielt wohl sein bestelltes Fertighaus. Niemand würde
so große Lasten in der Luft, nur durch
Flügelschlag halten
können. Als blieben die Laster wohl auf der Straße.
Bei der
Frühstückszubereitung stellte ich mir vor, wie es wohl wäre, wenn ich mein
Brötchen jetzt mit Flügelspitzen, statt mit meinen Händen zubereiten müsste.
Nicht mal das Messer könnte ich halten und wenn ich den Honiglöffel in das Glas
führte, wären alle Federn verklebt und sähen scheußlich aus.
Schon als ich mich
anzog, kamen mir da so meine Bedenken. Essen und trinken könnten nicht
gelingen. Nur picken wie ein Vogel oder fressen wie ein Schweinchen ist dann
noch möglich. Mir fielen da besonders Spagetti mit Ketchup ein. Die Luft hat
bekanntlich keine Ampeln. Folglich flöge jedes Objekt gerade so wie es dem
Betreffenden gefallen würde. Da könnte es schon mal sein, dass die
Verunglückten gerade zu, in den Schwimmingpool fielen. Wenn alle Menschen am
Himmel fliegen, ist es auf der Erde bestimmt stockfinster, weil kein
Sonnenstrahl mehr auf die Erde dringen kann.
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Werner Kistler: Ronaldo
Der kleine Ronaldo
befand sich bereits auf den Beinen. Trotz seiner zwölf Jahre, war bereits um
sechs Uhr in der Frühe, für ihn die Nacht vorbei. Denn er musste für seinen
Lebensunterhalt selber sorgen.
Sein Fußbänkchen und
den Schuhputzkasten unter dem Arm, so zog er zum Zentrum der nahen Stadt.
Ronaldo war Schuhputzer. Mit dieser Tätigkeit verdiente der Junge seinen
Lebensunterhalt. Mehr schlecht als recht. Alles hatte damit angefangen, dass
der Vater vor zwei Jahren die Familie einfach verlassen hatte. Seine Mutter war
dann nach einem Jahr an Überarbeitung und Kummer gestorben.
Jetzt am frühen Morgen
konnte man noch die besten Umsätze machen. Schnell musste er sein. denn keiner
hatte noch Zeit. Welcher Schuhputzer gut und schnell war, dass sprach sich
unter der Laufkundschaft schnell herum. Am Bahnhof wären die Umsätze ja noch
größer gewesen, aber dort hatte er keine Chance. Dort saßen die
"Organisierten". Sie hatten extra eine Schutztruppe aufgestellt, die
jede Konkurrenz verjagte. Früher als er
hier seinen jetzigen Platz noch nicht besaß und auch am Bahnhof sein Glück
versuchte, musste er öfters vor der Bande türmen. Schnell laufen können, das
sichert hier das Überleben. Erst letzte Woche raubte ihn eine Straßenbande aus.
Sie kamen von hinten und stellten ihn einfach auf den Kopf. Das Klimpergeld aus
seinen Taschen fiel dabei auf den Bürgersteig und verschwand blitzschnell in
den anderen Taschen. Einen ganzen Tag umsonst hatte er somit gearbeitet.
Außerdem die Schuhcreme neigte sich dem Ende und dringend musste er neue Creme
kaufen.
Seit zwei Tagen nun
besaß er ein verschließbares Geheimfach in der Innenseite der Jacke. Hier fiel
kein Geld mehr heraus.
Heute liefen die
Geschäfte sehr schleppend, weil es regnete und niemand sich auf sein nasses
Höckerchen setzten wollte. Außerdem ist nasse Schuhe putzen eine scheußliche
Schinderei. Ständig musste er vor der Polizei auf der Hut sein. Kinderarbeit
war schließlich verboten. Wenn die Beamten einen kindlichen Putzer fassten,
schlugen sie ihm den Kasten und das Bänkchen entzwei. Schuhputzer regieren auf
dem untersten Stand der Gesellschaft. Viele Leute vergleichen sie mit Dieben
und Gesindel und sonstigen schlechten Eigenschaften. Oft bezahlen die Leute
auch nicht die geleisteten Arbeiten und der Putzer bekommt statt Geld nur einen
Tritt.
Nach sechzehn Uhr ist
hier das Geschäft gestorben. Ronaldo packte seine Sachen zusammen und
schlenderte zu seinem Blechverschlag. Da hatte es bestimmt wieder reingeregnet.
Er machte sich Sorgen um sein einziges Hemd und die graue Hose. Diese beiden
Kleidungsstücke brauchte er unbedingt zur Ausübung seines zweiten Jobs. Am
Nachmittag verkaufte er langstielige Rosen an verliebte Pärchen in den Kneipen.
Es hatte ihn viel Überredungskunst gekostet, bis er Blumen verkaufen durfte. Da
er kein Geld hatte, konnte er die Blumen erst bezahlen, wenn er die Ware
erfolgreich verkauft hatte. Das war den Händlern aber zu unsicher. Seit drei
Wochen durfte er nun doch Rosen verkaufen. Sie berechneten ihm aber einen
Risikofaktor. Somit erzielte er nur einen halben Gewinn.
Gern wäre er auch wie
die anderen Kinder zur Schule gegangen und dann später einmal im feinem Anzug
die Straße entlang zu gehen und die modischen Schuhe putzen zu lassen.
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Werner Kistler: Unsere
Englischlehrerin
Unsere Klasse hat eine
neue Englischlehrerin bekommen. Sie heißt Frau Zement. Wir sagen immer hinter
ihrem Rücken "Betonkegel" zu ihr.
Sie ist eine sehr
strenge Lehrerin. Jede kleine Verfehlung wird sofort von ihr mit Strafarbeit
bestraft. Heute müssen wir einen deutschen Text übersetzen. Auf einmal klingelt
mein Handy. Mist! Ich habe vergessen, dass Gerät auf Vibrationsruf zu stellen.
Mein Herz rutscht talwärts. Ganz tief!
Sofort steht Frau
Zement an meiner ungeschützten Seite. Seit wann ist Beton so schnell? Sie
fordert sofort mein Telefon. Mir bleibt keine andere Wahl. Beton ist
schließlich zäh. Ich bin noch froh, dass sie meine Klassenarbeit nicht
einsammelt.
Am Nachmittag, meine
Hausaufgaben sind beendet, nehme ich Flocky meinen Hund und möchte mit ihm
einen Spaziergang zum nahen See unternehmen.
Stöckchen werfend
nähern wir uns dem Gewässer. Ich stoße plötzlich auf ein am Boden liegendes
Fahrrad. Da liegt ja Frau Zement im Gras und jammert lautstark. "Was ist
passiert, Frau Zement"? "Ach, ich bin über diesen blöden Stein
gefahren und dann abgerutscht. Ich glaube, ich habe mir das Bein gebrochen. Du
musst sofort Hilfe rufen." "Das mache doch gerne für Sie. Aber leider
müssen Sie jetzt noch eine ganze Weile ganz tapfer sein.
Hier gibt es ja kein
Telefon in der Nähe und ich muss den ganzen Weg zurück. Wenn Sie mir mein Handy
nicht abgenommen hätten, könnte man jetzt viel schneller Hilfe rufen.
Frau Zement hat nach
ihrer Genesung nie wieder einem Kind das Handy abgenommen und war auch viel
fairer zu ihren Schülern
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